49 Views· 28 August 2022
Interview mit Dalibor Truhlar,
Am 22. November 2015 wurde im österreichischen Radiosender Ö1 das Magazin "Ambiente" ausgestrahlt. Ein Teil davon war eine Reportage über Bad Kreuzen, einen kleinen Ort in Oberösterreich, von der preisgekrönten ORF-Journalistin Isabelle Engels. Sie berichtet darin auch über meinen Vater, Jan Truhlar, der in Bad Kreuzen einige seiner Werke komponierte, und führt ein Interview mit mir, Dalibor Truhlar, während wir durch den Ort spazieren. Zu Wort kommt auch Christian Haimel, ein international ausgezeichneter klassischer Gitarrist, mit dem uns eine gemeinsame Geschichte und Freundschaft verbindet. Christian spielt die Werke meines Vaters und nahm sie zum Teil auf CD auf. Seine CD mit der Apollo Sonate meines Vaters wurde mit dem Ö1 Pasticciopreis ausgezeichnet.
Isabelle wollte in erster Linie über den Ort und die Menschen berichten, die hier leben und lebten. Dazu gehören auch die vielen Flüchtlinge, die im Lager untergebracht und von den Bad Kreuzenern Jahrzehnte lang aufgenommen und angenommen werden. Meine Familie passt da perfekt dazu, weil wir seinerzeit als Flüchtlinge aus der damaligen Tschechoslowakei nach Österreich kamen.
Wir lebten 1981/82 in Bad Kreuzen in der Emigration. Wir hatten ein Zimmer und Verpflegung und warteten auf die Ausreise nach Australien. Aus der wurde letztlich nichts und wir blieben in Österreich. Während dieser Zeit schrieb mein Vater einige Werke, darunter die "Bad Kreuzener Idyllen". Diese wurden 2010 im Rahmen der Donaufestwochen Strudengau von Christian Haimel in Bad Kreuzen uraufgeführt. Ich sprach bei dem Konzert einige einführende Worte und bedankte mich für all das Gute, das die Österreicher für die Flüchtlinge getan hatten und immer noch tun. Das Schöne an der Premiere: Christian selbst stammt aus Bad Kreuzen und wurde dort im gleichen Jahr geboren, in dem das Stück geschrieben wurde. Später, als Christian Gitarre an der Landesmusiksschule Perg lernte, galt er als Wunderkind. Hier kam er das erste Mal in Berührung mit den Werken meines Vaters. Sie lernten einander kennen und schätzen. Seitdem spielt Christian immer wieder seine Kompositionen und sie bilden einen Teil seines Repertoires an moderner, zeitgenössischer Musik.
Und nun schließt sich der Kreis: Isabelle Engels saß 2010 unter den Gästen im Publikum und hörte Christian spielen und mich reden. Wir kannten uns damals noch nicht. 2015, fünf Jahre später, führten unsere Wege wieder zusammen, an einem sonnigen, himmelblauen Sonntag der Allerheiligen, an einem Ort, der mir in der schwierigsten und zugleich schönsten Zeit ein Zuhause war, vor allem dank der Menschen, die das Leben mit Leben und Menschlichkeit füllten.
Isabelle Engels gelingt es, das Wesentliche der Geschichte zu ergreifen und erzählend zu entfalten. Trotz der Kürze des Beitrags und der Länge der Erzählungen vermittelt sie die Tiefe des Erlebnisses in einer besonders berührenden und bewegenden Art.
Ich weiß allerdings nicht, ob es mir während des Interviews gelungen ist, das Allerwichtigste zu sagen, und zwar wie wunderschön Bad Kreuzen ist, wie wunderbar die Menschen sind und wie dankbar diesen Menschen und diesem Ort die vielen Flüchtlinge noch heute sind, weil sie hier angenommen und aufgenommen wurden. Für mich war es damals das schönste Zuhause in der schwierigsten Zeit und das ist gerade den Menschen in Bad Kreuzen und Umgebung zu verdanken. Viele Emigranten von damals erinnern sich noch heute mit strahlenden Gesichtern an diese Vergangenheit, die die Grundlage für ihre Zukunft schuf. Sie sind heute Bürger der USA, von Kanada oder Australien - oder Österreicher, so wie ich - und tragen ein Stück von diesem Stück Land und der Menschlichkeit in sich.
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